Jugendarbeit in Nordhorn

Nachricht 24. September 2019

Diakonin Inga Rohoff

Dede: Sie sind Diakonin in Nordhorn. Was sind dort Ihre Aufgaben?

Rohoff: Hauptsächlich die Kinder- und Jugendarbeit (Konfirmandenunterricht, Konfirmationen, Konfirmandenfreizeiten und -projekte, Jugendfreizeiten im Sommer und in den Osterferien, Kinderbibeltage, Schulgottesdienste, Familienfreizeit über Silvester…). Hinzu kommen Beauftragungen und Projekte auf Kirchenkreisebene (KU- Beauftragung, Kirchenkreiskonferenz-Ausschuss, Popularmusikbeauftragung, Kinder- und Jugendausschuss), in der Ökumene (72-Stunden- Aktion, Weihnachtssingen, ökum. Frühschichten) in der Gemeinde, im Kirchenkreis oder auch darüber hinaus (unser jährlicher Konfitag, Mitwirkung beim Zentrum Sport auf dem Kirchentag, Kirche und Sport- Arbeitskreis in der Landeskirche, ACK Nordhorn,…).

Dede: Was ist das Besondere an der Arbeit in dieser Region?

Rohoff: Das tolle Team aus Pastoren, Küstern und weiteren haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Gemeinde!
Ein innovativer Kirchenkreis, der offen ist für neue Projekte und diese auch unterstützt, beispielsweise den alljährlich stattfindenden Konfirmandentag, an dem alle Kirchengemeinden des Kirchenkreises teilnehmen.
Die Ökumene bestehend aus röm.-kath., ev.-ref., ev.-altref., Baptisten und uns, den Lutheranern. Dazu das ökumenische Kloster Frenswegen als Tagungsstätte.

Dede: Und Ihre Ziele für Ihre Tätigkeit?

Rohoff: Ich möchte ein fröhliches und modernes Bild von Kirche erzeugen, das mit all seinen Glaubensaussagen und Traditionen eine große Bereicherung für die Menschen ist, die sich darauf einlassen. Ich möchte Kirche mit anderen gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen (wie z.B. Sportvereinen) vernetzen.

Dede: Was sind Ihre Arbeitsschwerpunkte? Wo liegen Ihre Vorlieben? Haben Sie ein besonderes Projekt?

Rohoff: In der Jugend- und Konfirmandenarbeit. Mir liegen diese jungen Menschen besonders am Herzen und ich staune immer wieder über das Interesse, das sie an Glaubensfragen haben. Konfirmandenunterricht bereitet mir viel Freude, ebenso die Arbeit mit den jugendlichen Mitarbeitern, die sich hier sehr engagieren. Zu sehen, wie sie nicht nur körperlich sondern auch in ihrem Auftreten, ihren Ansichten und ihren Fähigkeiten wachsen; zu sehen, wie sie sich mit ihren ganz unterschiedlichen Talenten einbringen können und wie eine große Gemeinschaft untereinander entsteht, die oftmals weit über das „Teamerdasein“ in der Jugendarbeit besteht, ist großartig. Daraus folgt, dass wir hier neue Modelle, Konzeptionen und Ideen in der Konfi- und Teamerarbeit entwerfen und umsetzen. Unser „Problem“ sind die sinkenden Zahlen der Konfis, dafür haben wir aber immer mehr Teamer.

Außergewöhnliche Veranstaltungen, die eher kirchenferneres Publikum interessieren, wie Weihnachtssingen, Gottesdienst im Stadion, Schlagergottesdienst.

Dede: Man merkt Ihnen die Freude an der Arbeit an und Sie haben offensichtlich ein breites Spektrum an Kompetenzen. Sie sind Diakonin und Sozialarbeiterin. Werden in Ihrer Arbeit beide Qualifikationen beansprucht? Wie?

Rohoff: Schwer zu sagen- ich glaube, ich habe in beiden Studiengängen viel gelernt und es ist das Gesamtpaket. Was ich merke ist, dass Fort- und Weiterbildungen unabkömmlich sind.

Dede: Welche Fort- und Weiterbildungen haben Sie besucht? Und wie bringen Sie diese zusätzlich erworbenen Kompetenzen in die Arbeit ein?

Rohoff: Sehr viel geholfen hat mir zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit hier der „JAK-Kurs“, diesen kann ich jedem empfehlen.

Des Weiteren habe ich den großen Oberkurs zur Erteilung von Religionsunterricht absolviert und 10 Jahre an der Berufsschule hier Religionsunterricht erteilt. Zurzeit erteile ich hin und wieder an der evangelischen Altenpflegeschule ein paar Stunden, was mir viel Freude bereitet. Mit den SchülerInnen bereite ich die jährliche Abschlussfeier vor und gestalte mit ihnen dafür einen Gottesdienst. Für die oft kirchenfernen SchülerInnen ist dies eine große Herausforderung. Einige der werdenden Altenpfleger sind in diesem Jahr mit auf den Evangelischen Kirchentag gefahren und haben sich gemeinsam mit meinen Jugendlichen an der Durchführung des Zentrums Sport beteiligt. Sie gewannen ein sehr positives Bild von Kirche, Zwei der jungen Erwachsenen möchten seither gerne in die kirchliche Jugendarbeit einsteigen.

Ich liebe meinen Beruf, weil ich beispielsweise durch die Schwerpunktsetzung im Bereich Kirche und Sport auch meine persönlichen Interessen in die Arbeit einbringen darf. Studienkurse und Fortbildungen in diesem Bereich haben Auswirkungen auf die Arbeit hier vor Ort und sind sehr erfrischend und zukunftsorientiert, erreichen viele Menschen.

In der kommenden Woche werde ich eine Fortbildung „Ökumenisch in Rom“ absolvieren, von der ich mir viel Wissen erwarte, die auch für die gute ökumenische Zusammenarbeit, die hier in Nordhorn stattfindet, von Bedeutung sein könnte. Denn neben der tollen Kooperation entstehen auch immer wieder Probleme und theologische Auseinandersetzungen. Vielleicht hilft mir diese Fortbildung, mehr Verständnis aufzubringen, aber eben auch für mich klarer Stellung beziehen zu können.

Im kommenden Jahr werde ich das Angebot des Prädikantenkurses der Landeskirche für Diakone wahrnehmen, um mein theologisches Wissen zu erweitern, aber auch, um endlich z.B. auch auf so tollen Jugendfreizeiten wie im Sommer auf Korsika einen Abendmahlsgottesdienst zum Abschluss feiern kann.

Dede:  Was ist für Sie die besondere Herausforderung in Ihrer Tätigkeit?

Rohoff: Die Zeit! Ich selber, aber auch wir hier im Team haben immer wieder neue Ideen und Lust, Neues und Innovatives auszuprobieren. Auch die Jugendlichen sind offen und möchten weitere Projekte auf die Beine stellen. Doch für vieles fehlt schlichtweg die Zeit. Ich würde ebenso gerne weitere Fortbildungen besuchen, mein Wissen erweitern, sowie viele Konzepte weiterdenken und verschriftlichen, in manchen Bereichen weitere Schwerpunkte setzen. Eine weitere, große Herausforderung – und das merken wir auch hier in Nordhorn – sind die vielen Menschen, vor allem junge Erwachsene, die sich von Kirche nicht mehr angesprochen fühlen, sich entfernen oder sogar austreten. Ich denke gerne mit, wenn es um die Erarbeitung von Projekten und Konzepten geht, die besonders diese Menschen erreichen könnten.

Dede:  Was war in gutem Sinne ein besonders eindrückliches Erlebnis in Ihrer Arbeit?

Rohoff: Das war zum einen das Weihnachtssingen im Stadion am 23. Dezember letzten Jahres, als trotz strömenden Regens fast 1000 Menschen in das Fußballstadion meines hiesigen Sportvereins kamen und alle zusammen zu Orchester-, Band- und Chormusik traditionelle und moderne Kirchenlieder gesungen haben, die Weihnachtsgeschichte gelesen und das Vaterunser gebetet wurde. Die Idee entstand in einem Nebengespräch bei einer Vorstandssitzung zwischen einem sehr engagierten Ehrenamtlichen des Vereins und mir. Dass so viele Menschen sich bei diesem schlechten Wetter am Tag vor Heiligabend auf den Weg ins Stadion machen, damit hatten wir nicht gerechnet. Und schon gar nicht mit der beeindruckenden Stimmung.

Ein weiteres eindrückliches Erlebnis, das erst ein paar Wochen her ist, passierte auf unserer alljährlich stattfindenden Jugendfreizeit mit 130 Jugendlichen auf der Mittelmeerinsel Korsika. Es ist immer wieder ein Erlebnis, mit so vielen Jugendlichen auf die schönste Insel der Welt zu fahren, doch in diesem Jahr war es ganz besonders. Am vorletzten Tag gab es eine Windhose direkt vor unserer Küste. Wären wir zu der Zeit am Strand gewesen, hätten wir sie sehen können. Wir wollten Gottesdienst feiern, doch dieser fand „auf eine etwas andere Art und Weise“ statt. Da es stark regnete, mussten wir Gräben schaufeln, Koffer in Sicherheit bringen und versuchen, die Zelte mit Brettern und Bänken zu präparieren, um die drohende Überflutung zu verhindern. Alle, aber auch wirklich alle Teilnehmer und Teamer, gaben ihr Bestes und packten mit an, jeder achtete nicht nur auf seine eigenen Sachen, sondern gemeinsam kämpften wir gegen die Wassermassen. Alle waren guter Laune und auch an einem der letzten Tage lernte man sich noch besser kennen und rückte zusammen. Diese Atmosphäre war toll. Als dann ein starkes Gewitter über das Camp zog, mussten alle das Arbeiten einstellen und sich unter einer Animationsfläche in Sicherheit bringen. Leider dauerte das Gewitter bis abends spät an - die Teilnehmer mussten also stundenlang bei Nässe und Kälte unter einem relativ ungeschützten Bambusdach verbringen. Gasbrenner wurden dort aufgebaut und wir kochten das Abendessen, besorgten Decken, Suppen und Süßigkeiten, um alle bei Laune zu halten. Dies war aber nicht nötig, denn die Stimmung war immer noch bestens. Keiner war sich der großen Gefahr, die dieses Gewitter mit sich brachte, bewusst. In der Nacht mussten die Jugendlichen in Reisebussen, Bungalows und Hallen schlafen, am nächsten Morgen war dann das große Aufräumen, Waschen, Trocknen und Reparieren von Zelten an der Reihe. Keiner meckerte, alle waren fröhlich bei der Arbeit. Das ist Evangelische Jugend - kirchliche Jugendarbeit, genau das wollen wir erreichen- eine Gemeinschaft, in der jeder auf jeden achtet und alle füreinander da sind. Diese Erfahrung nehmen alle in ihr Leben mit und werden wohl ihren Kindern noch davon erzählen und Gott danken, dass er uns vor Schlimmeren beschützt hat. Auch ich werde noch lange davon berichten, denn als der Kollege und ich – als einzige noch im Camp- versuchten, einige Zelte bei Gewitter vor dem Einsturz zu retten, hätte uns beinahe ein Blitz getroffen. Darüber denkt man noch lang nach….

Eine Nachricht einer Teilnehmerin der Korsikafreizeit: „Liebe Inga. Ich möchte mich nochmal bei dir für diese geile Freizeit bedanken! Ich habe dieses Jahr viele Erfahrungen gemacht und sehr viel gelernt über mich, über das Verhalten von Menschen untereinander und noch viel anderes! Mit deinen „Reden“ (Andachten) hast du vielen die Augen geöffnet und angestoßen, auch mal über andere nachzudenken und nicht nur an sich. Man merkte nach jeder Ansage, wie der Zusammenhalt zwischen uns stärker geworden ist. Dank dir habe ich den Sinn am Leben wiedergefunden. Du bist einfach eine einzigartige Person bleib so, wie du bist und helfe den Personen, die dich brauchen, wie du es bei mir gemacht hast! Ich hoffe, dass ich noch lange mit dir auf Freizeiten fahren kann, egal ob als Teili oder vielleicht/ hoffentlich als Teamerin! Danke!“.
Nach 16 Dienstjahren die wohl emotionalste und schönste Nachricht, die man als Diakonin bekommen kann und die Bestätigung, genau an die richtige Stelle berufen worden zu sein.

Dede: Wunderbar und berührend, danke!

Wenn jemand mit Ihnen Kontakt aufnehmen möchte, wie kann er/sie Sie erreichen?

Rohoff: inga@rohoff.com Tel.: 05921-7848195; Mobil: 0177-3257460 oder in meinem Büro in der Kreuzkirche, van-Delden-Str. 21, 48529 Nordhorn

Dede: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Rohoff: Gerne!!!!

Biographisches:
Diakonin im Kirchenkreis Emsland- Bentheim seit 2003, Anerkennungsjahr 2003/2004 in der Region Süd des KK (11 Gemeinden) und im Diakonischen Werk Meppen (Kirchenkreissozialarbeit), danach die freie Stelle in der Jugendarbeit der Region Süd übernommen. Bis zum Jahr 2010 für 11 Gemeinden mit Schwerpunkt Nordhorn, seither ausschließlich für die lutherischen Gemeinden in Nordhorn (aufgrund des Wegfalls einer halben Pastorenstelle).

Studiert an der Evangelischen Fachhochschule Hannover von 1998-2003; zunächst Religionspädagogik, dann drei Semester (Hauptstudium) Soziale Arbeit (also zwei Diplome), Einsegnung 2005 in der Kreuzkirche Nordhorn.